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Rede von Mathias Grilj zur Vernissage von Franz Konrad BAZAR D´AK welt – geschichten weg – gemalt 17.6.2010-10.9.2010Bazar d`AK – Bazar der Arbeiterkammer - nennt Franz Konrad seine Ausstellung, die er uns hier und heute präsentiert. Der orientalische Bazar steht für die flirrende Fülle von Farben und Düften, für Trubel und Vielfalt von Stimmen und Tönen, für Austausch und Begegnung, er ist das pralle, geschäftige und schrille Leben selbst und somit zugleich ein Faszinosum und ein Geheimnis. Ein einziger Blick auf die Arbeiten von Franz Konrad beweist, daß der Titel der Schau besser kaum hätte gewählt werden können. Im Bazar sehen wir auch den Handwerkern bei ihrer Tätigkeit zu. Insofern fügt sich Bazar d`AK trefflich ins Konzept der AK-Galerie, deren Motto „Kunst werden“ lautet und die ihr Augenmerk auf das Entstehen und Wachsen und Werden von Arbeiten richtet. Dazu eine Episode: Eines Nachmittags im Vorjahr habe ich Franz Konrad im Atelier besucht – die Ausstellung war ja für den heurigen Jänner geplant, doch weil bekanntlich immer irgendwas dazwischenkommt, ist ein Wasserrohrbruch dazwischen gekommen... Der Künstler – er saß wie ein Handwerker mitten im riesigen Bild auf einem Schemel – sagte, dann müsse er sich ziemlich beeilen und noch einige Bilder fertig malen. Er war ebenso erstaunt wie erleichtert, als ich meinte: „Bitte nicht, zeig sie uns doch so, wie sie jetzt sind.“ Im Bazar trifft man auch die Geschichten- und Märchenerzähler mit deren reichem Fundus an Historien, Begebenheiten und Mythen, weise Männer mit Erfindungsgabe, Schlagfertigkeit und phänomenalem Gedächtnis. Auch die geradezu psychedelischen Bilder Konrads erzählen Geschichten – und er selbst kann zu jedem Detail noch weitere Geschichten erzählen. Das sprudelt dann nur so und geht, wie man trefflich sagt, vom Hundertsten ins Tausendste. Ob es die Begegnung mit einem Hafnermeister war, der ihm den optimalen Luftzug im Kachelofen erklärt hat. Oder wie er auf die Idee des „Kunstturnens“ kam – das Bild als Bedienungsanleitung für Körper und Seele, Kunst gegen Depression und Burnout. Oder er erzählt von den japanischen Kobe-Rindern, die während der Mast gestreichelt werden, damit sie ja glücklich sind, und fügt kopfschüttelnd und lachend hinzu: „Dann kostet ein Kubikzentimeter ihres Fleisches 15 Euro. Und es gibt Leute, die das zahlen.“ Der Witz von Franz Konrad ist ebenso an die Realität gebunden wie absurd und abgründig und naiv – naiv im wahren Sinn des Wortes, nämlich „ursprünglich, natürlich, angeboren“. Mir fiel übrigens, als ich ihn im Atelier zwischen all den Arbeiten agieren sah, voller Neugier, Tatendrang und Schaffenslust, der Satz von Hölderlin ein: „Lern im Leben die Kunst, im Kunstwerk lerne das Leben. Siehst du das eine recht, siehst du das andere auch.“ Formal erinnern Konrads Bilder ebenso an Comics, in denen Bild und Schrift eine Symbiose bilden, wie auch an die Kunst der Azteken. Sowie an jene mittelalterlichen Holzschnitte, in denen verschiedene Episoden einer Begebenheit im wirren und vitalen Durcheinander eines einzigen Bildes dargestellt werden. Wo es kein Eins-nach-dem-anderen gibt, sondern ein Alles-zugleich. Und mit diesem Alles-zugleich scheinen die Arbeiten Konrads auch die heutige mediale Welt mit ihren Tsunamis an Informationen ebenso zu reflektieren wie mit dem ihm eigenen Sarkasmus zu kommentieren. In einer Hinsicht ist der Künstler jedoch alles andere als zeitgemäß: Konrad hat etwas vollends Unmodernes – er hat Geduld. Er läßt sich und den Bildern Zeit, er läßt sie gleichsam aus sich selber wachsen und beobachtet diesen Prozeß, dessen achtsamer und sogar demütiger Diener er wird. Um letztendlich vom Werk selbst überrascht und reich beschenkt zu werden. Das erinnert an die lapidare Feststellung von Gottfried Benn, der gemeint hat, ein Gedicht sei bereits fertig, bevor es geschrieben wurde. Es müsse vom Dichter nur noch gefunden werden. Und es erinnert an Picasso, der gesagt hat: „Ich suche nicht, ich finde.“ Seine Bild-Geschichten haben mit Leben und Erleben und mit Welt und mit Alltag zu tun. Zugleich mit dem Körper des Künstlers selbst. Dafür hat er eine eigene Übung und Disziplin entwickelt, wovon zahlreiche Notizbücher zeugen. Ich hoffe, daß es keine Indiskretion ist, wenn ich davon erzähle: Er zeichnet auch im Gehen, man könnte sagen - im Laufen. „Wenn ich durch die Wälder hirsche und völlig außer Atem bin, kann ich natürlich keine feinen Details mehr zeichnen, das läßt der Körper gar nicht zu. Der Körper diktiert mir ganz andere Sachen.“ Er beobachtet sich selbst während dieses Entwicklungsgangs, protokolliert dabei die Zeit und seinen Kilometerstand. „Schau einmal, das ist nach einem 25-Kilometer-Marsch passiert.“ Diese Notizbücher voller Skizzen, Ideen und Bildtitel sind ihm eine wertvolle Schatztruhe und Quelle. Manche Ideen werden erst nach Jahren aufgegriffen – wenn sie eben soweit sind, geboren zu werden. Die Geburt darf sich dann ziehen, über Monate und länger. Die Vision zu jenem Bild mit dem Titel „Klub der 18-jährigen Millionäre“ kam ihm vor 20 Jahren. Gemalt wurde es erst knapp vor dem Auffliegen der kriminellen Machenschaften an der Wall Street – und erwies rechtzeitig seine prophetische Dimension. Franz Konrad ist ein halber Steirer und ein halber Amerikaner. Dazu noch ein halber Mexikaner und – wenn wir schon beim Zählen sind – ein ganzer Kosmopolit. Soviel zu seinen zahlreichen Hälften. Wir sehen also: In der Kunst ist vieles möglich, sie hebt sogar die Mathematik auf. Der gelernte Architekt hat die Welt bereist, lange in Kalifornien und in Mexiko gelebt. Er hat verschiedene Kulturen, Lebensformen, biografische Entwürfe und Menschen aus nächster Nähe kennengelernt, nicht als Tourist, sondern im tagtäglichen Miteinander. Er kennt die Armut, so bitter, daß sie das Herz knirschen macht, er kennt die scham- und grenzenlose Dekadenz des Reichtums. All diese Erfahrungen und Diskrepanzen, all diese Einsichten und Vergleiche wirken sich auf seine Kunst aus, mit der er unmißverständlich Position bezieht und sich auf die Seite der Ausgebeuteten, der Entrechteten und der Hoffnungslosen schlägt. Daß er dabei nicht verhärtet noch verbittert, sondern sich eine grundsätzliche Heiterkeit bewahrt, ist wohl eine Frage des „ursprünglichen, natürlichen, angeborenen“ Temperaments. Diese Heiterkeit vermag er mit seinen Werken weiterzugeben und im Betrachter werden und wundersam wirken zu lassen. Wir können uns - hier im Foyer sowie im vierten Stock - davon überzeugen und anstecken lassen. Übrigens hat Franz Konrad eine persönliche Beziehung zur Arbeiterkammer. Vor vielen Jahren, als er zwar schon Künstler war, als solcher kommt man auf die Welt und kann überhaupt nichts dafür, als er also noch kein Diplomingenieur war, sondern ein Bub, der zur Schule ging, suchte er ständig die AK-Bibliothek auf. Da gab und gibt es jenen guten Brauch, auf einem Zettel den Titel eines Buchs aufschreiben zu können, das man gern in Händen und vor Augen hätte und das noch nicht in den Beständen ist. Es ging um einen Kunstband, den der Bub studieren wollte, es ging um Giacometti. Diesen Wunsch schrieb er halt hin – ohne viel Hoffnung, denn der leinengebundene Band war in seinen Augen astronomisch teuer. Kurz darauf erhielt er von der Arbeiterkammer einen Brief: Das Buch sei da – und er dürfe es als allererster ausleihen. Diesen feinen „Bazar d´ AK“ können wir betrachten als eine Geste des halben Franz Konrad von damals: Das ist seine Art, danke zu sagen dafür, daß man ihn glücklich gemacht hat. Und dafür wiederum dürfen wir ihm heute danke sagen. |
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